Aktenzeichen:
46 O 276/21
Landgericht Stuttgart
Im Namen des Volkes
Urteil
In dem Rechtsstreit
– Kläger –
Prozessbevollmächtigter:
Rechtsanwalt Simon Bender, Hohemarkstraße 20, 61440 Oberursel,
gegen
Mercedes-Benz Bank AG, vertr. durch den Vorstand
– Beklagte –
Prozessbevollmächtigte:
wegen Widerruf
hat das Landgericht Stuttgart – 46. Zivilkammer – durch den Richter […] als Einzelrichter am 09.06.2022 aufgrund des Sachstands vom 12.05.2022 ohne mündliche Verhandlung mit Zustimmung der Parteien gemäß § 128 Abs. 2 ZPO für Recht erkannt:
- Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 8.565,93 Euro nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 25.12.2021 zu zahlen
- Die Beklagte wird verurteilt, an die Rechtsschutzversicherung des Klägers, die […] vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von EUR 1.295,43 zuzüglich 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 25.12.2021 zu zahlen.
- Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
- Von den Kosten des Rechtsstreits haben der Kläger 26 % und die Beklagte 74 % zu tragen.
- Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar, für den Kläger jedoch nur gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrags. Der Kläger kann die Vollstreckung der Beklagten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrags leistet.
- Der Streitwert wird auf 40.881,12 Euro festgesetzt.
Tatbestand
Die Parteien streiten über den Widerruf eines zur Finanzierung des Kaufpreises eines Kraftfahrzeugs abgeschlossenen Darlehensvertrags.
Die Klagepartei erwarb das streitgegenständliche Fahrzeug für einen Kaufpreis von brutto 14.235,00 Euro bei einer nicht am vorliegenden Rechtsstreit beteiligten Partei. Die Klagepartei leistete keine Anzahlung. Zur Finanzierung des Kaufpreises schlossen die Klagepartei als Verbraucher und die Beklagte am 30.01.2017 einen Darlehensvertrag über einen Nettodarlehensbe-trag von 46.468,50 Euro. Der als Anlage K1 eingereichte Darlehensvertrag, auf welchen Bezug genommen wird, enthält eine Widerrufsbelehrung.
Die Klagepartei geriet Ende 2020 mit der Zahlung von Raten in Verzug. Die Beklagte kündigte das Darlehen wegen Rückstand mit Ratenzahlungen am 22.01.2021. Am 26.01.2021 gab die Klagepartei das Fahrzeug ab. Die Beklagte veräußerte des streitgegenständliche Fahrzeug und erzielte einen Erlös von netto 16.550,00 Euro.
Mit Schreiben vom 01.04.2021 erklärte die Klagepartei den Widerruf des Darlehensvertrags.
Die Beklagte beauftragte zur Durchsetzung der von ihr geltend gemachten Restforderung in Höhe von 8.228,82 Euro die […] als Inkassodienstleister.
Die Klagepartei behauptet, sie habe auf den streitgegenständliche Darlehensvertrag 28.522,31 Euro an Tilgungs- und Zinsleistungen an die Beklagte erbracht. Weiterhin habe die Klagepartei auf Anforderung der […] an die Beklagte am 01.09.2021 235,00 Euro gezahlt.
Die Klagepartei ist der Auffassung, ihr habe zum Zeitpunkt der Widerrufserklärung noch ein Widerrufsrecht zugestanden. Pflichtangaben seien nicht ordnungsgemäß erteilt worden. Die Wider-rufsbelehrung sei zudem fehlerhaft gewesen und die Beklagte könne sich nicht auf Musterschutz berufen, da sie ein von dem gesetzlichen Muster abweichendes Formular verwendet habe. Die Klagepartei rügt hierbei insbesondere, die Beklagte habe den Verzugszins nicht benannt. Es hätte der zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses gültige Zinssatz als absolute Zahl benannt werden müssen, nicht alleine ein Zinssatz in Relation zum Basiszinssatz.
Die Klagepartei ist der Ansicht, von der ihr gemäß § 355 Abs. 3 BGB zustehenden Forderung sei ein Wertersatz für einen Wertverlust des streitgegenständlichen Fahrzeugs in Höhe von 9.433,45 Euro abzuziehen und rechnet in dieser Höhe auf mit ihrem Anspruch aus § 355 Abs. 3 BGB.
Die Klagepartei beantragt,
- die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger EUR 19.088,86 nebst Zinsen in Höhe von 5 %-Punkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen;
- die Beklagte zu verurteilen, an die Rechtsschutzversicherung des Klägers, […] vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von EUR 1.444,36 zuzüglich 5%Punkte über Basiszins seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte behauptet, die Klagepartei habe auf den streitgegenständlichen Darlehensvertrag Zahlungen in Höhe von 28.205,37 Euro erbracht. Die Zahlung auf Anforderung der […] wird bestritten.
Die Beklagte ist der Ansicht, die Widerrufsfrist sei abgelaufen. Die Widerrufsinformation sei in Ansehung der einschlägigen gesetzlichen Vorschriften nicht zu beanstanden bzw. genieße die Schutzwirkung der Gesetzlichkeitsfiktion. Auch habe die Beklagte sämtliche zu erteilenden Pflichtangaben in die Vertragsunterlagen aufgenommen und der Klagepartei zur Verfügung gestellt.
Die Beklagte ist der Ansicht, der Anspruch der Klagepartei sei verwirkt, nachdem diese erst nach Kündigung und Rückgabe des streitgegenständlichen Fahrzeugs den Widerruf erklärte.
Die Beklagte ist der Ansicht, für den Fall der Wirksamkeit des Widerrufs stünde ihr ein Wertersatzanspruch für einen weiteren Wertverlust des streitgegenständlichen Fahrzeugs – über den zugestandenen Wertverlust in Höhe von 9.433,45 Euro hinaus – in Höhe von 15.246,55 Euro zu, für vereinbarte Sollzinsen in Höhe von 4.450,59 Euro und für die abgeschlossene Ratenabsiche-rungsversicherung in Höhe von 2.095,12 Euro.
Die Beklagte erklärt hilfsweise für den Fall des Erfolgs des Klageantrags Ziffer 1 gegen den klageweise geltend gemachten Anspruch die Aufrechnung mit den vorgenannten Ansprüchen auf Wertersatz.
Mit Beschluss vom 25.04.2022 wurde mit Zustimmung der Parteien der Übergang in das schriftliche Verfahren beschlossen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des beiderseitigen Vorbringens wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 21.04.2022 verwiesen.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist zulässig und im tenorierten Umfang begründet.
A.
Klageantrag Ziffer 1 ist im tenorierten Umfang begründet. Die Klagepartei hat grundsätzlich einen Anspruch in der begehrten Höhe, dieser wird jedoch durch die teilweise durchgreifenden Hilfsaufrechnungen reduziert. Klageantrag Ziffer 2 ist überwiegend begründet.
I. Klageantrag Ziffer 1
Klageantrag Ziffer 1 ist im tenorierten Umfang begründet. Die Klagepartei hat einen Anspruch auf Zahlung von 8.565,93 Euro nach erfolgtem Widerruf gemäß §§ 355 Abs. 3, 357a BGB a.F.
- Widerruf
Die Klagepartei hat mit Schreiben vom 01.04.2021 den streitgegenständlichen Darlehensvertrag erfolgreich widerrufen.
Der Klagepartei stand ein Widerrufsrecht zu, da die Angaben der Beklagten zum Verzugszinssatz nicht den europarechtlichen Anforderungen genügten. Das OLG Stuttgart (Urteil vom 22.03.2022, Az. 6 U 326/18, Rn. 26 [juris]) definiert die Voraussetzungen der Angabe des Verzugszinssatzes wie folgt: „Im Anwendungsbereich der Richtlinie 2008/48/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. April 2008 über Verbraucherkreditverträge und zur Aufhebung der Richtlinie 87/102/EWG des Rates (Verbraucherkreditrichtlinie) ist Art. 247 § 3 Nr. 11 EGBGB unter Zugrundelegung der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (Urteil vom 9. September 2021 – C-33/20, C-155/20 und C-187/20) richtlinienkonform dahin auszulegen, dass der im Zeitpunkt des Vertragsschlusses geltende Verzugszinssatz nicht lediglich abstrakt als variabler Zinssatz, sondern konkret in Form eines Prozentsatzes anzugeben ist (ausführlich Senat, Urteil vom 21. Dezember 2021 – 6 U 129/21 –, Rn. 29, juris). Ferner ist zur erforderlichen Beschreibung der Art und Weise der Anpassung des Verzugszinssatzes ein Verweis auf den Basiszinssatz nicht ausreichend, wenn nicht die Häufigkeit der Änderung dieses Basiszinssatzes im Vertrag angegeben wird (ausführlich Senat, Urteil vom 2. November 2021 – 6 U 32/19 -, Rn. 25 ff., juris).“. Die Beklagte hat auf S. 1 des Darlehensvertrags angegeben „Der Verzugszinssatz beträgt für das Jahr fünf Prozentpunkte über dem Basiszinssatz“. An einer Angabe des Verzugszinses konkret in Form eines Prozentsatzes fehlt es.
- Keine Verwirkung
Der Anspruch der Klagepartei ist nicht verwirkt. Ein Recht ist verwirkt, wenn sich der Schuldner wegen der Untätigkeit seines Gläubigers über einen gewissen Zeitraum hin bei objektiver Beurteilung darauf einrichten darf und eingerichtet hat, dieser werde sein Recht nicht mehr geltend machen, so dass die verspätete Geltendmachung gegen Treu und Glauben verstößt (OLG Stuttgart, Beschluss vom 01.12.2020, Az. 6 U 605/20). Zu dem Zeitablauf müssen besondere, auf dem Verhalten des Berechtigten beruhende Umstände hinzutreten, die das Vertrauen des Verpflichteten rechtfertigen, der Berechtigte werde sein Recht nicht mehr geltend machen. An einem derartigen Umstandsmoment fehlt es im vorliegenden Verfahren. Für die Feststellung des Umstandsmoments ist eine Gesamtbetrachtung vorzunehmen. Der Beklagte ist zwar zuzugeben, dass die Rückgabe des Fahrzeugs durch die Klagepartei an die Beklagte am 26.01.2021 ein Indiz dafür ist, dass die Klagepartei am Vertrag festhalten wollte. Es fehlt jedoch an ausreichend von der Klagepartei gesetzten Indizien, dass diese sich am Vertrag festhalten lassen wollte. Zunächst wurde die Vertragsbeendigung durch Kündigungserklärung der Beklagten Ende Januar 2021 eingeleitet. Ein Verhalten der Klagepartei hatte die Vertragsbeendigung somit nicht abgelöst. Alleine auf die Nichtzahlung von Raten abzustellen, dürfte nicht genügen. Zudem verging zwischen der Kündigungserklärung durch die Beklagte und dem Widerruf kein besonders langer Zeitraum. Die Klagepartei erklärte kaum mehr als zwei Monate nach der Kündigungserklärung der Beklagten den Widerruf. Zuletzt kann auch aus einer endgültigen Abwicklung des Vertragsverhältnisses keine konkludente Festhaltenbekundung der Klagepartei abgeleitet werden. Im Zeitpunkt des Widerrufs war noch keine vollständige Abwicklung des Vertragsverhältnisses erfolgt. Die Beklagte berühmte sich Ansprüchen gegen die Klagepartei. Die Beklagte hatte insbesondere die ihr bestellten Sicherheiten – z.B. die abgetretenen Ansprüche gemäß Ziffer II. Nr. 2 und 3 der Darlehensbedingungen – nicht freigegeben. Eine Freigabe der Sicherheiten erfolgt gemäß Ziffer II. Nr. 6 Darlehensbedingungen erst bei vollständiger Abwicklung der Ansprüche der Beklagten aus dem Darlehensvertrag.
- Anspruchshöhe
Der Anspruch der Klagepartei beträgt 8.565,93 Euro.
Die Klagepartei hat auf den streitgegenständlichen Darlehensvertrag Leistungen in Höhe von 28.757,31 Euro erbracht. Die Klagepartei hat vor Klageerhebung selbst gegen Ansprüche auf Wertersatz in Höhe von 9.433,45 Euro aufgerechnet. Die Beklagte hat wirksam mit weiteren eigenen Ansprüchen in Höhe von 10.757,93 Euro aufgerechnet.
a) Leistungen der Klagepartei
Die Klagepartei hat Leistungen in Höhe von 28.757,31 (= 28.522,31 Euro + 235,00 Euro) Euro erbracht.
Die Klagepartei hat 28.522,31 Euro an die Beklagte gezahlt. Soweit dieser Betrag als Tilgung und Zinsen gezahlt wurde, ist die Höhe im Wesentlichen unstreitig. Soweit die Klagepartei die Zahlung in Höhe von 316,94 Euro bestreitet – insgesamt seien 28.205,37 Euro gezahlt worden – dringt sie hiermit nicht durch. Der von der Klagepartei genannte Betrag ergibt sich durch Addition der Zahlungen an die Beklagte in den als Anlage K6 vorgelegten Kontounterlagen. Die Abweichung zur Beklagten ergibt sich insbesondere aus der Berücksichtigung von Rücklastschriftgebühren und Verzugszinsen durch die Klagepartei. Der von der Beklagten genannte Betrag ergibt sich aus einer abstrakten Rechnung (28.205,37 Euro = 576,71 Euro * 47 + 1.100 Euro, vgl. S. 4 f. Klageerwiderung), ohne dass die Beklagte weitere tatsächlich erfolgte Zahlungen der Klagepartei an die Beklagte berücksichtigt hat. Auch bei den von der Klagepartei erbrachten Rücklastschriftgebüh-ren und Verzugszinsen handelt es sich um – auf Grundlage des Darlehensvertrags – erbrachte Leistungen, welche grundsätzlich gemäß § 355 Abs. 3 BGB zurückzugewähren sind. Der Einschätzung der Beklagten, es handle sich um Sowiesokosten (S. 2 Schriftsatz vom 12.05.2022), vermag das Gericht nicht zu folgen.
Die Klagepartei hat weitere 235,00 Euro über die […] an die Beklagte gezahlt. Dies wurde von der Beklagten mit Nichtwissen unter Verweis auf einen fehlenden Nachweis bestritten. Die Klagepartei hat einen Zahlungsnachweis als Anlage K14 vorgelegt, worauf keine Stellungnahme der Beklagten mehr erfolgt ist. Das Gericht erachtet die Zahlung als bewiesen.
b) Aufrechnung
Die Klagepartei hat gegen den Wertersatzanspruch der Beklagten mit Ansprüchen nach § 355 Abs. 3 BGB in Höhe von 9.433,45 Euro aufgerechnet.
Gegen die Ansprüche der Klagepartei hat die Beklagte wirksam hilfsweise mit weiteren eigenen Forderungen in Höhe von 10.757,93 Euro (= 18.096,26 Euro – 9.433,45 + 2.095,12 Euro) aufgerechnet. Die darüber hinaus von der Beklagten erklärten Hilfsaufrechnungen greifen jedoch nicht durch
aa)Wertersatz
Die Klagepartei hat den Wertverlust des streitgegenständlichen Fahrzeugs gemäß § 357 Abs. 7 BGB a.F. zu ersetzen (BGH, Urteil vom 27.10.2020, Az. XI ZR 498/19, Rn. 30 ff.).
Der Wertverlust beträgt insgesamt 18.096,26 Euro (34.651,26 Euro [Anfangswert] – 16.555,00 Euro [Endwert]).
Der Wertverlust bemisst sich nach der Vergleichswertmethode. Danach hat der Kläger die Differenz zwischen dem unter Heranziehung der vertraglichen Gegenleistung zu ermittelnden Verkehrswert des finanzierten Fahrzeugs bei Abschluss des Darlehensvertrags und dem Verkehrswert des Fahrzeugs bei dessen Rückgabe an den Darlehensgeber zu ersetzen (BGH, Urteil vom 27.10.2020, Az. XI ZR 498/19, Rn. 40). Maßgeblich ist hierbei der Marktwert der Leistungen, welcher regelmäßig durch den Wert der Gegenleistung indiziert wird (Fritsche in MüKoBGB, § 357a, 2022, Rn. 24). Maßgeblich ist hierbei der Vergleich der Vermögenslage beim Verkäufer, so dass ein Ansatz der Umsatzsteuer – welche sich für diesen als reiner Durchlaufposten darstellt zu unterbleiben hat (OLG Stuttgart, Urteil vom 21.12.2021, Az. 6 U 129/21).
Der anfängliche Verkehrswert beträgt 34.651,26 Euro (= 41.235,00 Euro / 1,19). Nicht zu berücksichtigen ist der Händlergewinn (OLG Stuttgart, Urteil vom 21.12.2021, Az. 6 U 129/21). Ebenfalls nicht zu berücksichtigen ist die angefallene Umsatzsteuer, da nach Widerruf die Beklagte bzw. der Verkäufer die Umsatzsteuer erstattet verlangen kann, § 17 Abs. 2 Nr. 3 UStG (vgl. OLG Stuttgart, Urteil vom 21.12.2021, Az. 6 U 129/21). Der Verkehrswert im Zeitpunkt der Rückgabe lag bei 16.555,00 Euro. Die Beklagte hat das Fahrzeug zu einem Preis von netto 16.555,00 Euro veräußert.
bb) Sollzinsen
Die Beklagte hat keinen Anspruch auf die vereinbarten Sollzinsen gemäß § 357a Abs. 3 S. 1 BGB a.F. Ein solcher Anspruch besteht zwar grundsätzlich. Die Beklagte hat jedoch auf diese Verzinsung gemäß Ziffer IX Nr. 5 der Darlehensbedingungen verzichtet. Nach dieser Ziffer hat die Beklagte für den Fall des Widerrufs innerhalb der Widerrufsfrist für den Zeitraum zwischen Auszahlung und Rückzahlung des Darlehens keine Sollzinsen zu entrichten. Die Klagepartei hat innerhalb der – nicht angelaufenen – Widerrufsfrist den Widerruf erklärt. Soweit die Beklagte ausführt, Ziffer IX Nr. 5 der Darlehensbedingungen sei so zu lesen, dass die Beklagte nur auf Sollzinsen verzichten würde, soweit innerhalb von 14 Tagen nach vermeintlichem Anlauf der Widerrufsfrist der Widerruf erklärt würde (S. 2 Schriftsatz vom 12.05.2022, u.A.), dringt sie hiermit nicht durch. Ausgangspunkt der Auslegung ist der Wortlaut (H. Schmidt a.a.O.). Bei der Auslegung ist hierbei der für einen durchschnittlichen Verwendungsgegner erkennbare Sinn und Zweck einer Regelung zu berücksichtigen (H. Schmidt in BeckOK, § 305c BGB, Stand: 01.02.2022, Rn. 46). Ein durchschnittlicher Verwendungsgegner liest die Klausel so, dass er für den Fall eines fristgemäßen Widerrufs keine Sollzinsen entrichten muss. Zeitlicher Anknüpfungspunkt des Verzinsungsverzichts ist hierbei für den Durchschnittsverwender der Ablauf der Widerrufsfrist. Der Ablauf der Widerrufsfrist ist an den Beginn der Widerrufsfrist geknüpft. Etwas anderes ergibt sich auch nicht, soweit man das Wort „vereinbart“ Ziffer IX Nr. 5 der Darlehensbedingungen hereinliest (S. 2 Schriftsatz vom 20.04.2022). Die vereinbarte Widerrufsfrist beträgt – siehe Widerrufserklärung auf S. 2 des Vertragsexemplars – 14 Tage ab ordnungsgemäßer Belehrung. Im vorliegenden Fall war – mangels ordnungsgemäßer Belehrung – die vereinbarte Widerrufsfrist eben nicht angelaufen. Die Auslegung der Beklagten steht im klaren Widerspruch zum Wortlaut der Regelung. Ein durchschnittlicher Verwendungsgegner wird der Klausel keinen vom Wortlaut abweichenden Sinngehalt entnehmen. Somit sind keine Sollzinsen zu entrichten.
cc) Versicherung
Die Beklagte hat wirksam mit einem Anspruch auf Wertersatz der Ratenabsicherungs-Prämie in Höhe von 2.095,12 Euro aufgerechnet.
Die Klagepartei hat – soweit unbestritten – die Vorteile der Ratenabsicherung in vorgenannter Höhe in Anspruch genommen. Die Wertersatzpflicht folgt aus § 357a Abs. 2 BGB a.F.
- Zinsen
Der Zinsanspruch folgt aus §§ 291, 288 BGB. Die Klagepartei hat einen Anspruch auf Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz aus einem Betrag von 8.565,93 Euro seit Rechtshängigkeit der Klage (§§ 261 Abs. 1, 253 Abs. 1 ZPO). Die Klage vom 22.11.2021 wurde der Beklagten am 24.11.2021 zugestellt. Zinsbeginn ist daher analog § 187 Abs. 1 BGB der 25.11.2021.